Editorial

Gerne erinnere ich mich an den August 2014, als wir uns über den Dächern Zürichs trafen, um darüber zu befinden, wie es mit dem Hinterhalt-Festival weitergehen soll. Alle waren sich einig: Unser Festival drohte über Gebühr zu wachsen, drohte sich zu etablieren oder gar zur festen Institution zu werden. Und daraus erwuchs unsere Befürchtung, dass sich der Hinterhalt zu sehr in den Vordergrund drängen und damit seine ureigene Bestimmung aufs Spiel setzen würde. Weiterhin wollten wir heimtückisch einem unvoreingenommenen Publikum überraschende Perlen präsentieren. Weiterhin sollten Kulturschaffende scheinheilig und hinterlistig in Usters Hinterhöfen lauern und ahnungslose Spaziergänger mit ihren Produktionen überrumpeln und gefangen nehmen. Deshalb erklärten wir als OK an besagtem Sommerabend im August die «Erwartungen» kurzerhand zum Erzfeind einer Neuauflage unseres Festivals.

Wir vereinnahmten und markierten mit dem «Kern Süd» also ein Revier mitten in Uster, das bis dahin brach lag und keine Aufmerksamkeit verdiente, und beanspruchten es für die Kultur
Der Hinterhalt-Pavillon wurde zur Schaltzentrale und Refugium...

Wir wollten keine Erwartungen erfüllen, sondern Erwartungen unterlaufen. So machten wir uns auf die Suche nach Unerwartetem, nach Neuem: Nach neuen Herausforderungen, neuen OK-Mitgliedern, neuen Orten, neuen Formaten und neuem Grafikdesign. Und bald fanden wir mit dem «Kern Süd» einen enorm motivierenden Spielplatz, auf dem wir unsere neuen Ideen zu planen und zu verwirklichen begannen. So konnten wir am 2. Januar 2015 den Hinterhalt-Pavillon mit einer rauschenden Party einweihen und in der Folge für kulturelle Leckerbissen nutzen. Wir vereinnahmten und markierten also ein Revier mitten in Uster, das bis dahin brach lag und keine Aufmerksamkeit verdiente, und beanspruchten es für die Kultur – Herrn Hotz, dem Eigentümer, sei an dieser Stelle für sein Entgegenkommen herzlich gedankt. Der Hinterhalt-Pavillon wurde so zu Sitzungszimmer und Schaltzentrale, zu Motivationsspritze und Refugium, schlicht zum Inbegriff des Hinterhalts 2015. Und egal, ob das Festival vom 3.–5. Juli nun auf dem Areal «Kern Süd» stattfindet oder aufgrund einsetzender Bauarbeiten ausweichen muss, gelohnt hat sich die Urbarmachung dieser Brache auf jeden Fall, denn sie war massgeblich beteiligt an Innovationen und Inspirationen für das diesjährige Festivalprogramm, das wir Ihnen auf den folgenden Seiten vorstellen.

Wieder haben wir uns auf die Lauer gelegt, mit geschärftem Auge in versteckte Nischen geblickt, die Windverhältnisse beobachtet und geprüft, geduldig gewartet – und dann im richtigen Moment aus dem Hinterhalt zugeschlagen! Auf diese Weise ist es uns gelungen, auch für das diesjährige Hinterhalt-Festival grossartige Künstlerinnen und Künstler aus allen Sparten nach Uster zu holen. Die Musiker_innen, Dichter_innen, Schauspieler_innen, Kabarettist_innen, Szenograf_innen, Gestalter_innen und Gastronom_innen werden ihrerseits anfangs Juli alles daran setzen, Sie als Besucher_innen zu irritieren, zu bewegen, zu verzücken und zu überraschen. Erwarten Sie also nichts, sondern lassen Sie sich auf Unerwartetes ein. Wir freuen uns auf Sie.

Markus Hanhart
OK Hinterhalt